Rund 90 % des CO2-Fußabdrucks von Firmen geht auf ihre Einkäufe zurück, und damit auf die Lieferkette. Wir stehen vor einem epochalen Wandel, bei dem Nachhaltigkeit in der Lieferkette entsteht. Dieser neue Weg erfolgt auch durch Schulung und Kommunikation, dem Hebel für das Engagement der externen und internen Interessenvertreter der Firmen. Wir haben uns darüber mit Federico Brugnoli, dem Gründer und CEO des Nachhaltigkeits- Beratungsunternehmen Spin 360 unterhalten, der Marazzi auf seinem Weg mit internen Schulungen begleitet.
Spin 360 ist ein Nachhaltigkeits- Beratungsunternehmen, das Betriebe auch bei Schulungen und ihrem Engagement unterstützt. Wie verändert sich die Welt der Nachhaltigkeit?
Wir sind in einem globalen, sich rasant verändernden Umfeld tätig. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen ist es heute dringender denn je ist, etwas zu tun.
Die Erderwärmung ist ein Thema, aber ebenso wichtig ist die Überbevölkerung, in menschlichen Zellen gefundenes Mikroplastik. Die Gesetzgebung begleitet den Wandel genauso schnell: Europa ist hier Vorreiter. Vor 20 Jahren, als ich in diesem Beruf anfing, dienten die Umweltgesetze der Kontrolle der Verschmutzungswerte: von der Industrie verursachte Emissionen, Abwässer und Müll. Heute sprechen wir von ESG, erweiterter Herstellerverantwortung, Produktdesign, bei denen das Lebensende, das Life Cycle Assessment, die Lieferketten, die Risikoanalysen zu berücksichtigen sind. Das ist ein völlig anderer Ansatz.
Welche internen und externen Schritte muss ein Betrieb unternehmen, um seine Verpflichtungen zu erfüllen?
Rund 90 % des CO2-Fußabdrucks von Firmen ist auf ihre Einkäufe zurückzuführen, also auf die Lieferkette. Viele Betriebe haben große Investitionen zur Reduktion ihres CO2-Ausstoßes vorgenommen, um dann festzustellen, dass ein Großteil ihrer Umweltbelastung auf ihre Einkäufe zurückzuführen ist und dass elektrische Energie nur 1 % ihres Footprints ausmacht. Wir stehen also vor einem epochalen Wandel: Die Unternehmen müssen mit ihren Lieferanten arbeiten. Die Zukunft der Nachhaltigkeit wird in der Lieferkette bestimmt, und der Wandel erfolgt erst einmal durch Schulung, dann durch Kommunikation, dem Hebel für Engagement. Gegenüber den Entscheidungsträgern und Nutzern, aber auch intern, und darüber hinaus auch zu Beginn und am Ende der Produktionskette.
Wir müssen also neue Instrumente und einen neuen Ansatz nutzen.
Es gibt weltweit 465 Umweltzertifizierungen, das ist so, als gäbe es überhaupt keine. Es existiert kein einheitlicher Standard zur Darstellung der Nachhaltigkeit eines Betriebs; das ist ein großes, komplexes Thema. Der neue Ansatz, bei dem wir den Spitzenbetrieb Marazzi begleiten, besteht in der Einbeziehung der Lieferkette. Wir nutzen Kommunikation als Hebel zur Verbesserung mit ständigem Wetteifern. Wir sind überzeugt, dass wir nur durch eine vollständige Einbeziehung des Nachhaltigkeitsaspekts – für den heute spezielle Einheiten zuständig sind – in allen Abteilungen einen Schritt nach vorne machen können, und durch die Mitwirkung der Menschen. Genau so war es vor vielen Jahren mit der Qualität.