Rückbesinnung auf eine empathische Beziehung zur Natur

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„Ich glaube, wir sollten einen neuen Ansatz finden, beginnend bei einer empathischen Beziehung zur Natur, zum Klima, zum Standort, und unsere gesamte Wertschöpfungskette überdenken.“ So lautet der Gedanke von Mario Cucinella, Gründer und Creative Director von Mario Cucinella Architects, der in seinem Beitrag zu The Open Circle die Notwendigkeit herausstellt, einen neuen Dialog mit der Natur aufzunehmen. Es geht um die Wiederaneignung eines archaischen Bewusstseins und neue Kompetenzen mit dem Ziel, intelligentere, hybride Baustoffe mit größtenteils natürlichen und umweltfreundlicheren Materialien zu nutzen.

„Ich möchte vorausschicken, dass es gewiss fabelhafte Beispiele gibt, etwa Unternehmen, die viele Ressourcen in die Forschung und Entwicklung neuer Materialien und Prozesse mit geringstmöglicher Auswirkung auf die Umwelt investieren. Doch wenn man die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet…

Das Umweltproblem ist nicht neu und nicht erst gestern entstanden. Und zwar ebenso wenig neu wie vielleicht ein Lügenmärchen, das wir uns immer wieder selbst auftischen. Doch beginnen wir mit einer Wahrheit: Der Bau eines Gebäudes ist kein ökologischer Akt. Er ist eine Umwandlung von Materie, die wir unserem Planeten entnehmen, der einzigen Quelle, die uns zur Verfügung steht. Es wäre angebracht, die Probleme im Bewusstsein dieser Wahrheit anzugehen: Das Thema Umweltverschmutzung betrifft weniger die Fähigkeit von Gebäuden, Kohlendioxid zu speichern, als vielmehr diejenige, Kohlendioxid zu erzeugen. Ausgehend von dieser Tatsache gilt es, angesichts der Zukunft sehr konkret zu denken. Doch bevor wir uns eine technologiegeprägte Zukunft für Gebäude ausmalen, würde ich auf die Jahrtausende alte Vergangenheit zurückblicken, in der wir Gebäude ohne Energie errichteten und die verfügbaren Ressourcen unter Berücksichtigung der Regenerationszeiten der Natur nutzten.

Kein nostalgischer Blick, sondern eine neue Sicht auf die Vergangenheit, um zu verstehen, wie wir aufgehört haben, uns mit dem Klima auseinanderzusetzen, und zwar in der Überzeugung, dass die Entwicklung in Richtung Technologie geht. Im Ganzen erforderte diese Auseinandersetzung Wissen und planerische Fähigkeiten.

Über Jahrhunderte hinweg wurden Gebäude errichtet, die einerseits die Fähigkeit zur Empathie für die Orte sowohl in klimatischer als auch in kultureller Hinsicht bezeugen und andererseits eine enorme Vielfalt an ästhetischen Lösungen darstellen, die zugleich der Umwelt förderlich waren (eine Form von notwendigem Opportunismus).

Die technische Vereinfachung hat unser Wissen zum Klima erheblich reduziert und Gebäude hervorgebracht, die regelrechte Fremdkörper an ihrem Standort sind.

Ich glaube, wir sollten einen neuen Ansatz finden, beginnend bei einer empathischen Beziehung zur Natur, zum Klima, zum Standort, und unsere gesamte Wertschöpfungskette überdenken. Es ist vor allem eine Frage der Kultur. Doch diese Kultur ist bisher noch nicht so weit entwickelt, wenn es um das Ziel einer umweltbewussten Planung geht. Fehlt es daran, läuft die nachhaltige Architektur Gefahr, zu einem hohlen Wortkonstrukt und zu einem rein ästhetischen Anliegen zu werden. Wir können bei der Natur nicht unser vermeintliches Soll einfordern, wir können den Dualismus Natur und Architektur nicht als eine Art Zauberformel begreifen. Eine drastische Senkung des Verbrauchs und eine deutliche Reduzierung der Nachfrage sind erforderlich. Und ausgehend davon eine Architektur, die intelligentere, hybride Baustoffe aus größtenteils natürlichen und umweltfreundlicheren Materialien einsetzt. Einer davon ist sicherlich Keramik. Doch ich möchte auch an das TECLA-Haus und sein Bausystem erinnern, das von MCA in Partnerschaft mit WASP entwickelt wurde. Das 3D-gedruckte Wohnhaus aus Erde gilt als ein Musterbeispiel. Die Architektur soll eine Formensprache entwickeln, die Verbrauchswerte senkt, wie beispielsweise der Verwaltungssitz von ARPAE in Ferrara. Dieses vollständig aus Holz bestehende Gebäude benötigt für seinen Bau nicht die Energiemenge, die für ein gleichwertiges Gebäude erforderlich ist. Dank seiner Form und seiner Architektur fällt der Verbrauch 40 % geringer aus. Und genau hier liegt für mich die ganze Herausforderung.“

Ph. Giovanni De Sandre