Städtische Erneuerung zwischen Ortschaften und Randgebieten

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Durch die Nähe kleiner Ortschaften zu Städten, könnte Italien zum Modell für verknüpfte Städte als Alternative zur Metropolitanstadt zu werden. Mit einer nicht unerheblichen wirtschaftlichen Auswirkung, vor allem für die Baubranche. Die Meinung von Manfredi Catella, CEO von Coima, und zwei Fallstudien.

Seit den ersten Lockerungen nach dem Lockdown kam es zu internationalen Debatten über die Zukunft der Städte und ihre Beziehung zu kleinen Ortschaften. Dabei erstreckte sich die Diskussion auch auf Fragen wie Verkehrs- und Technologienetze, Dienstleistungen und generell auf den Nachhaltigkeitsaspekt. Wir spüren es auf eigener Haut, dass das Konzept des nachhaltigen und ausgeglichenen Wohnens vom Wohlbefinden im häuslichen Ambiente (Wohnung) ausgeht und sich in konzentrischen Kreisen auf das Stadtviertel (kurze Netze), den Stadtbezirk (mittlere Entfernung) und schließlich die Stadt ausdehnt.

Durch das städtische Gefüge und die Nähe kleiner Ortschaften zu Städten könnte Italien zum Modell für verknüpfte Städte als Alternative zur Metropolitanstadt werden. Mit einer bestimmt nicht unerheblichen wirtschaftlichen Auswirkung, vor allem für die Baubranche. Darüber diskutierte beim Forum „Rigenerazione Italia“ 2021 Manfredi Catella, CEO und Gründer von Coima, Plattform für Immobilieninvestition, -entwicklung und -verwaltung: „Das Land stellt unsere Kultur und unsere Hauptressource dar. Immobilien aus der Zeit vor 1960 machen jedoch 40 % im Vergleich zu den 33 % in Europa und nicht erbebensicher gebaute Immobilien 60 % im Vergleich zu den 30 % in Europa aus. Wenn es uns nur gelänge, diese Kluft zu überwinden, hätten wir, falls wir effizient wären, die Möglichkeit, in 10 Jahren mit mehr als 200 Mrd. Euro Investitionen 100 Mio. Quadratmeter zu erneuern. Und das mit einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 15 %, einer Entwicklung des Arbeitsmarkts mit 100.000 bis 300.000 Arbeitsplätzen jährlich und einer Überwindung der Kluft zwischen den Regionen“.

Die Gelegenheit zur Erneuerung des Baubestands geht Hand in Hand mit der Planung eines Entwicklungsmodells mit einem Augenmerk auf Dienstleistungen, Verkehr und eine flächendeckende technologische Infrastruktur. Durch eine Verbesserung ihrer Effizienz könnten sich – gerade aufgrund der Nähe der Ortschaften zu den typischen Städten unseres Lands – Städte und Ortschaften in einer eineindeutigen Beziehung komplementär ergänzen. Vielleicht wird die Stadt zum Ort der Begegnung und Bildung, während sich die Möglichkeit einer mehr dezentralen, auf den Menschen zugeschnittenen und naturnahen Lebensdimension eröffnet. Das waren die Themen des kürzlich stattgefundenen Talks „Italy: Heritage, Design and Beauty“, der von NEWH, The Hospitality Industry Network, und der Vereinigung I Borghi più belli d‘Italia (Die schönsten Orte Italiens) ins Leben gerufen wurde, die zusammen mit Architekt Marco Piva sie ein Forschungsprogramm auf Projektebene über die Möglichkeiten der kulturellen und ökonomischen Entwicklung kleiner historischer Ortschaften startete.

Es sind zwei interessante Fälle zu Tage getreten: das kleine Alpendorf Morterone (Lecco), das durch die Sanierung der ortsbildprägenden Bausubstanz, wie u.a. die neue Casa dell‘Arte, erneuert wurde; und die Initiative Borgo Office, eine digitale Plattform, die Smart Workers bzw. digitale Nomaden, Landhotels und italienische Ortschaften vernetzt und somit die Wirtschaft und die Aktivitäten vor Ort unterstützt. Die Anfang 2021 gegründete Plattform Borgo Office zählt 40 angeschlossene Landhotels und Ortschaften; 20 sind im Begriff beizutreten. Das Modell wird auch ins Ausland exportiert. Es wird also die Technologie sein, die die Identität der Ortschaften prägen und ihnen – weg vom Mythos des „Malerischen“ und vom Massentourismus – Bleasure-Gäste (business & pleasure) mit durchschnittlicher Verweildauer bringen wird.