Nachhaltigkeit

The Green & Blue Room: Patricia Viel spricht über das neue Konzept für Marazzi und aktuelle Projekte

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Patricia Viel

Interview mit Patricia Viel

Eröffnungsevent für „The Green & Blue Room“ beim Fuorisalone 2023 mit der Architektin Patricia Viel, Mitbegründerin des Büros ACPV ARCHITECTS Antonio Citterio Patricia Viel, das die Gestaltung des Eingangsbereichs vom Marazzi Showroom in der Via Borgogna in Mailand verantwortete. Mit der bekannten Architektin haben wir auch über die derzeitigen Projekte des Büros in der ganzen Welt und über die brennenden Themen der kommenden Jahre gesprochen.

Ein neues Konzept für den Mailänder Showroom von Marazzi in der Via Borgogna 2 anlässlich der Milano Design Week. ACPV ARCHITECTS erschafft für den Objektbau ein erlesenes, zeitloses Mix and Match aus klassischen Fliesen der Kollektion Crogiolo Confetto und XXL-Feinsteinzeugplatten in Marmoroptik mit Velours, Bronze und Porzellan.
Auf der Milano Design Week sprachen wir mit Patricia Viel über die internationale Szene, in der das Büro ACPV ARCHITECTS eine erstrangige Rolle spielt.

 

Was verbirgt sich hinter dem neuen Gestaltungskonzept „The Green & Blue Room“?

Wir haben Marazzi vorgeschlagen, den gesamten Bereich zur Straße hin zu nutzen. Wir wollen weg vom Schaufenster-Konzept: Die Idee dahinter ist, in einem Showroom Erfahrungen zu übermitteln. Der Raum soll die Intentionen eines Produkts, ein Klima, eine Atmosphäre vermitteln, er soll die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher fesseln, sie sollen diesen Raum gerne aufsuchen und dorthin zurückkehren.

Das Projekt „The Green & Blue Room“ schafft einen intimen, freundlichen Raum. Es handelt sich um einen Teesalon, dessen Farbpalette in sanften Tönen gehalten ist. Das Feinsteinzeug in Marmoroptik, das den Tresen mit einer eleganten Linienführung und Details in Bronze verkleidet, kommt auch für Bodenbelag, Barwand und Tischplatten zum Einsatz und erzeugt mit Crogiolo Confetto ein spannendes Wechselspiel von Texturen und Farben.

Das Projekt stellt die außerordentliche Vielseitigkeit von keramischen Materialien unter Beweis, die inzwischen eine bisher unerreichte Entwicklungsstufe und Anpassungsfähigkeit erreicht haben; durch die erlesene Eleganz der Farbauswahl ist es möglich, einen Raum mit sehr wenigen Elementen, zwei Farben und zwei Materialien, sehr stark zu prägen.

Einmal Milano Design Week und zurück. Woran arbeitet ACPV gegenwärtig?

Wir arbeiten an zahlreichen Projekten im In- und Ausland, deren gemeinsamer Nenner die Erschaffung von Raumwelten ist, die „gemeinsames Wohlgefühl“ erzeugen. Darunter die Umgestaltung des ehemaligen Sitzes des Energieunternehmens Enel im Viale Margherita in Rom und der Umbau des Enel Elektrizitätswerks „Alessandro Volta” in Montalto di Castro, einst als Atomkraftwerk gebaut und niemals in Betrieb genommen, zu einem Kultur- und Museumszentrum zum Thema Energiewandel, das künftig TECCC heißen wird. Unlängst haben wir die Büros im Building D im Mailänder Quartier Symbiosis eingeweiht. Das Multi-Tenant-Gebäude entspricht unserem Ansatz „Building-as-a-City“ (BaaC). Die Büros folgen der Komplexität eines urbanen Ambientes und bieten Dienste (Fitness-Raum, Speiseraum, Pausenbereiche) für den täglichen Bedarf. Dieser Ansatz begünstigt hybride Räume und die Kreuzkontamination unterschiedlicher Bauformen (Büro-, Wohnungs- und Hotelbau).

 

Eine Arbeit auf verschiedenen Ebenen, die Qualitätsraum definiert, wo Qualitätszeit verbracht wird...

Das Geschäftsquartier Symbiosis nimmt 130.000 Quadratmeter ein und befindet sich nur wenige Minuten vom Mailänder Stadtzentrum entfernt. Der Neubaukomplex beruht auf einem Masterplan, der das nachhaltige und polyzentrische Wachstum der Stadt begünstigt und weitläufige öffentliche Bereiche bietet, in denen die Menschen die Stadtlandschaft in neuer Art und Weise erleben können. Ebenfalls zum Thema Well-Being arbeiten wir auch an Hotel- und Bürogebäuden im Areal MilanoSesto, einem der gegenwärtig ambitionsreichsten Stadterneuerungsprojekte in Europa. In den USA sind wir mit dem öffentlichen Platz in der 1221 Avenue of the Americas des Rockefeller Centers beschäftigt, der demnächst zu einem neuen dynamischen Hotspot im Herzen von Manhattan werden wird.

 

Beginnend bei den neuen Bedürfnissen der Menschen bis hin zu den Nutzern der von ACPV gestalteten Raumwelten. Da drängt sich geradezu der Buchstabe „S“ von den ESG-Kriterien auf...

Die Haupttrends in der Architektur wie im Interior-Design betreffen immer mehr die Fähigkeit, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden. Es geht darum zu verstehen, wie sich unser architektonisches Schaffen in die soziale Infrastruktur eines bestimmten Umfeldes fügt, um die Lebensqualität zu verbessern. Die Auseinandersetzung mit dem Standort, dem Kontext und seiner Geschichte ist zweifellos das Rohmaterial unserer Projekte. Mit der architektonischen Sprache und Ausdrucksform streben wir Lösungen an, die Harmonien und Dialoge mit der urbanen und der natürlichen Landschaft erzeugen. Wir arbeiten nie an einem Projekt mit dem Gedanken, dass es losgelöst ist vom Leben seines Standortes.

Bei unseren Projekten streben wir nach „Social Sustainability“, indem wir die physische Dimension der Architektur mit den Wünschen der Menschen in Einklang bringen. Wir arbeiten an einer Raumidee, die sich ständig weiterentwickelt und einer Infrastruktur Rechnung trägt, die von jeher das soziale und kulturelle Leben bedingt und Dienste, Systeme für die Einbeziehung der Bürger und flexible Bereiche für die Entwicklung von Communities und Orten, häufig einer Regenerierungslogik folgend, hervorbringt.

Ein Kernaspekt unserer Projekte ist zudem die sorgfältige Auswahl der Materialien. Wir setzen vorrangig auf natürliche Materialien, die Italian Design mit der Materialtradition des jeweiligen Ortes verknüpfen. Im Bulgari Hotel in Tokio - das gerade in diesen Tagen eröffnet wurde - kombinieren wir beispielsweise italienischen Marmor mit dem Holz der Ulme, einem charakteristischen Baum Japans. Beim Wohnungsbauprojekt für Cascina Merlata haben wir uns für den großzügigen Einsatz von keramischen Flächenbelägen entschieden. Bei der Materialwahl für unsere Projekte, das gilt sowohl für Interior-Design als auch für Architektur, legen wir ebenso großen Wert auf die Leistungsmerkmale wie auf die Optik.

Nicht weniger wichtig ist das Thema Licht. Als Element, das die Verbindung zwischen Raum und natürlicher Umgebung herstellen und stärken kann und das Raumerlebnis des Menschen verbessert, spielt es in unseren Projekten eine zentrale Rolle.

 

Das Planungsbüro ACPV arbeitet zu den unterschiedlichsten Themen, auf den verschiedensten Ebenen in der ganzen Welt. Wie bringen Sie die Kompetenzen zusammen?

Egal ob es sich um Stadtentwicklung im großen Maßstab oder um einen einzelnen Beratungsraum in einem Bürogebäude handelt, geht es darum, die Daten und den gesamten Planungsprozess mit Hilfe von digitalen Tools zu systematisieren, die es den Architekten und Ingenieuren ermöglichen, die Kompetenzen aus einem breiten Spektrum von Disziplinen zu verknüpfen, um die Projekte in ihrer Gesamtheit angehen zu können. Die Digitalisierung ist das Mittel, nicht der Zweck, und gestattet es, die Erfahrungen und Kulturen unserer Mitarbeiter in ihrer gesamten und nicht nur projektbezogenen Dimension zu nutzen. So kehren wir zum Faktor „S“ zurück, da gibt es kein Vorbeikommen.