Werbung, die Geschichte schreibt

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Marazzi aus der Sicht der Werbung. Ein Rückblick auf die Innovationen, aber vor allem auf den Zeitgeist und die Sprachen der visuellen Kommunikation. Von metaphorischen Bildern bis zur Kreation ansprechender Inszenierungen und Kampagnen, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Eine Retrospektive zu den Werbekampagnen von Marazzi bedeutet, die Geschichte der Innovationen des Unternehmens aus Sassuolo und ganz allgemein der Keramikbeläge und ihrer Verwendungen im täglichen Leben anhand des Wandels im Geschmack und der Sprache der visuellen Kommunikation zurückzuverfolgen. Die mehr als 85 Jahre der Geschichte des Unternehmens ermöglichen einen Rückblick auf die lange Tradition von Werbekampagnen und Werbespots von den 1950er Jahren bis heute und zeigen den oft experimentellen und innovativen Ansatz von Künstlern, Fotografen und Artdirectors zur Werbekommunikation.

Piero Ottinetti, der bereits berühmte Werbeplakate für Pirelli entworfen hatte, stellte in 1950er Jahren die Steine des Mosaiks 2×2 cm in Form einer Hand dar. Er verschob so die Bedeutung vom Gegenstand, also dem Mosaik, zum Know-how seiner Hersteller und zog die bildliche Metapher einer realistischen Darstellung vor. Weltberühmt ist die Werbekampagne „Marazzi, sei grande“ (Marazzi, bist du groß geworden) von 1975, die mit dem doppelten Bezug auf das Großformat 60×60 cm und auf die Führungsstellung des Unternehmens spielt. So wie hier ein Kind einen neuen Anfang symbolisiert, werden in der Kampagne „Non si fanno mai un graffio.” (Nie ein Kratzer) von 1980 ein Hund und eine Katze eingesetzt, um die Vorstellung von Zärtlichkeit zu vermitteln, aber auch, was ein Leben mit Haustieren aus praktischer Sicht sich bringt. Ein sympathisches Bild, um sich einen Begriff von der Widerstandsfähigkeit des Materials zu machen.

Die Verhältnis von Bild und Text in den Werbekampagnen führt uns den jeweiligen Zeitgeist und Bezug zu den Worten vor Augen. In den 1980er Jahren sind es lange und detaillierte Beschreibungen, die wie moderne „Advertorials“ die technischen Merkmale und Hinweise zu Pflege und Gebrauch der Materialien eindringlich vermitteln. Mit direkter Ansprache an den Leser: „Marazzi fordert Raumausstatter, Architekten und Designer auf, die Möbel aus seiner Sicht zu betrachten“, heißt es in der Marazzi Kampagne Masterker von 1985. Und mit dem „Tone of Voice“ von jemandem, der technologische Herausforderung in den Raum stellt– „Marazzi fordert die Zeit heraus“, die Aussage der Kampagne „Enduro, Bello per sempre” (Enduro, für immer schön) von 1986 – und den Mut hat, einen eigenen Weg zu gehen: „Diese Fliesen stammen aus dem Crogiolo. Das macht sie so einzigartig: Denn hier haben wir neue Technologien entwickelt. Neue Synergien zwischen Farbe und Form gefunden. Eine vollkommen neue Rolle von Keramik als Einrichtungselement konzipiert. Denn im Crogiolo haben wir das Potenzial von Keramik neu entdeckt“, heißt es in der Kampagne „Diverse da tutte“ (Das macht sie so einzigartig) von Il Crogiolo Marazzi aus dem Jahr 1982.

Himmel, Wüste und Gesteine sind die natürlichen Elemente, die im Mittelpunkt der Kampagnen zum Thema Farbe in den 1990er Jahren stehen und aus einer umgekehrten Perspektive betrachtet werden: Es ist das natürliche Element, das die Farbe von der Fliese übernommen hat, und nicht die Fliese ist vom natürlichen Vorbild inspiriert. Das Thema der Farbe wurde im Laufe der Zeit mehrmals vom Unternehmen aufgegriffen: von Marazzi Atomar im Jahr 1979 bis zu I Colori di Marazzi, der umfassenden Farbpalette, die in den 1980er Jahren entwickelt und 2001 erweitertet wurde.

Der Fotograf Elliott Erwitt und der Artdirector Michael Goettsche erstellten in den 2000er Jahren die Werbekampagnen „Marazzi. Disegniamo il mondo“ (Wir gestalten die Welt), bei der sie die Testimonials in den Bildmittelpunkt rücken: die Designer Colin Williams und Isao Hosoe, die Restauratorin Sascha Basovski und den Architekten Saverio Buono. Durch diesen Fokus auf den Menschen richtet sich die Kommunikation wieder an den Normalverbraucher, wie die Kampagnen „Marazzi, la casa che hai dentro“ (Dein wahres Zuhause) von 2007 zeigen, die mit Empathie auf das Individuum und seine Bedürfnisse eingehen. Der menschliche Aspekt kehrt auch in den nächsten Werbekampagnen „Marazzi. Human Design“ von 2017 bis 2020 mit Schwerpunkt auf der wohnlichen Atmosphäre häuslicher Umgebungen zurück.

Zwischen Ende der 2000er Jahre und den 2010er Jahren herrscht das Still-Life vor: fotografische Werke, die die Oberflächen und ihre Dreidimensionalität betonen, ansprechende Rauminszenierungen und Bilder ohne Bedarf großer Worte. Die Botschaft wird durch die sorgfältig kreierten Inszenierungen übermittelt, in denen mit farblichen Harmonien oder Kontrasten von Gegenständen und Materialien gespielt wird. Die Kampagne von Andrea Ferrari unter der künstlerischen Leitung von Architekt Gianluca Rossi „Marazzi. Il tuo spazio“ (Dein Raum) von 2016 ist um das Thema klein/groß aufgebaut: eine Nahaufnahme, die den materialbetonten Charakter der keramischen Textur zeigt, und eine Gegenüberstellung ihrer räumlichen Wirkung.