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„Food-Retail auf der Suche nach Authentizität und Nachhaltigkeit“, Interview mit Francesco Pupillo.

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Die neuen Trends im Food Retail - Interview mit Francesco Pupillo - 1
Francesco Pupillo

Interview mit Francesco Pupillo

Mapic Food, umbenannt in The Happetite, zählt zu den bedeutendsten internationalen Events des Gastrogewerbes und bietet einen privilegierten Ausblick auf neue Trends. Wir sprachen darüber mit Francesco Pupillo, Show Director von The Happetite und LeisurUp für Mapic events.

Von Mapic Food zu The Happetite. Was war der Grund für die Umbenennung?

Unsere Kernkompetenz ist der Gewerbeimmobilienmarkt mit der Mapic in Cannes. Seit mehreren Jahren veranstalten wir auch regionale Messen wie Mapic Italy, Mapic Russia, Mapic India und Mapic China. Die Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt beobachten wir genau, um wichtige Trends rechtzeitig erkennen zu können. So reagierten wir auf die zunehmende Bedeutung des Gastrogewerbes im Shopping-Center, insbesondere im Hinblick auf Raumnutzung und Konzeptneuheiten, mit der Einführung der Fachmesse Mapic Food.

Die Mapic bildet eine Schnittstelle zwischen Eigentümern, Betreibern und Filialisten. Das macht ihren Mehrwert aus. Eben deshalb haben wir Mapic Food ins Leben gerufen. Doch wir merkten recht bald, dass noch etliche weitere Akteure entlang der Wertschöpfungskette vertreten sein wollten. Daher die Namensänderung. Wir wollen vermitteln, dass unser Event über den reinen Property-Aspekt hinausgeht. Denn die Gastronomiemarken sollen auf internationale Opening-Spezialisten sowie auf Finanzierungspartner der Private-Equity-Branche treffen, die Investitionen bewerten. In diesem Jahr haben wir der Messe mehrere Begleitveranstaltungen beigefügt, die den verschiedensten Geschäftsbereichen gewidmet sind.

Sie als Insider haben einen besonderen Einblick in die Branche. An welchen Kernbegriffen orientiert sich der heutige Markt?

Das Neue ist, dass die Trends miteinander vernetzt sind und über die Food-Branche hinausgehen.

Angesagt sind erstens Authentizität, zweitens Wohlgefühl, drittens Nachhaltigkeit und viertens gemeinsame Erlebnisse.

In puncto Authentizität rücken Frische und Regionalität immer mehr in den Fokus. Das betrifft alle Ebenen der Branche, nicht nur teure Restaurants, sondern auch Fastfood-Lokale. An die Stelle von Fastfood tritt nun Fast-Good. Das schnelle Essen bleibt, doch mit Bodenständigem und hochwertigen Zubereitungen.

Heute achtet man sehr auf Essen, Lebensmittel, Wohlbefinden und Gesundheit, was sich beispielsweise im Hype um vegetarische und vegane Ernährung widerspiegelt. Es herrscht ein neues Bewusstsein für den Planeten und die Umwelt, das sich nach der Corona-Krise noch verstärken wird. Die Gastro-Marken haben etliche Nachhaltigkeitsinitiativen gegen Lebensmittelverschwendung und Plastikmüll ins Leben gerufen. So ist eine der populärsten und weltweit führenden Apps momentan „Too Good To Go“. Der App-Nutzer weiß kurz vor Betriebsschluss, welche Restaurants und Supermärkte ihr unverkauftes Essen zur Verfügung stellen. Dort kann er sich Tagesgerichte und Lebensmittel zum reduzierten Preis abholen. Und dann gibt es noch das Erlebnis. Im digitalen Zeitalter ist die gemeinsamkeitsstiftende Bedeutung des Essens weiterhin ungebrochen. Im Mittelpunkt steht nicht allein der Verzehr der Speisen. Mit Delivery-Apps können wir das Essen inzwischen ganz bequem nach Hause bestellen. Es ist das Angebot, das sich gewandelt hat. Es wird nun ein Erlebnis geboten und eben nicht mehr nur ein Produkt. Viele Retail-Ketten konzentrieren sich auf das Standorterlebnis, bei dem das Produkt lediglich ein Bestandteil des Gesamtpakets ist. Aus diesem Bedarf entwickelten sich Handelsformate wie die Foodhalle, wo man sich nicht nur verköstigen, sondern auch Konzerten und Vorführungen beiwohnen, an Gesellschaftsspielen teilnehmen und sich noch in vielerlei anderer Art und Weise beschäftigen kann.

Welche Konzepte sind bei Investoren gefragt?

Sie suchen Konzepte, die ihren Geschäftszwecken Alleinstellungsmerkmale verleihen und den Kundenverkehr steigern. Das verlangt veränderte Geschäftsmodelle. Die Food-Branche galt bisher als Flächenfüller, da sie sehr kostenintensiv in Hinsicht auf Beschaffung und Personal ist.

Der Betreiber setzte eher auf einen traditionellen Retailer, der eine höhere Miete zahlen kann und „stabiler“ ist.

Doch dann sorgte die digitale Revolution für einen drastischen Frequenzschwund in den Shopping-Malls. Neue, frequenzfördernde Konzepte mussten her. Und zwar einzigartige Konzepte, die den traditionellen Food-Court neu definieren und in einen Multifunktionsbereich verwandeln, der auch kleinere Geschäfte und Nachbarschaftsläden umfasst und mit einem exklusiven Warenangebot aufwartet (bspw. Le Cucine in Curno bei Bergamo und City Life in Mailand). In dieser Hinsicht können wir etliche Beispiele aus der ganzen Welt nennen, darunter Foodtopia in Deutschland, IP Village in Frankreich oder Unibail Westfield Rodamco in London, das demnächst einen neuen Food-Court in Paris eröffnet.

Das zu den Konzepten. Und welche Standorte suchen Investoren?

Der Trend geht immer mehr hin zu Objekten mit einem Angebot-Mix aus Shopping, jeder Menge Freizeit und Gastronomie, wo Wellness-Zentren, Büros, Coworking-Spaces und medizinische Labore unter einem Dach zu finden sind. In einem derart heterogenen Kontext spielt das gastronomische Angebot eine große Rolle. Die erste erfolgreiche Foodhalle war Eataly. Jetzt eröffnet Time Out in der ganzen Welt Objekte, die regionale Erzeugnisse mit Kulturangeboten wie Events und Konzerten sowie Bereichen, wo man sich zum Aperitif trifft, vereinen. Großen Zuspruch erhielt in Frankreich „La Felicità“, ein italophiles Gastronomiekonzept der Big Mamma Group, die große, in mehrere Indoor-Zonen gegliederte Restaurants betreibt, wo Pizza, Pasta und Hamburger vor den Augen der Gäste frisch zubereitet werden und Cocktailbars zum Verweilen einladen.

Weitere Erfolgsstories sind Ground Control in Paris, Mercato Metropolitano des Italieners Andrea Rasca in London, dessen erster Standort an der Victoria Station bereits auf das Dreifache seiner ursprünglichen Größe angewachsen ist, sowie, ebenfalls in London, Box Park mit Street-Food und einer Einkaufsmall mit Popup-Retailern. Große Popularität in New York genießen Chelsea Market und Little Spain. All diese Gastronomiekonzepte funktionieren sehr gut. Sie punkten mit einem vielfältigen kulinarischen Angebot und einem einzigartigen, originellen, authentischen Besuchererlebnis.

Welche Dienste zeigen Treiberwirkung in dieser neuen Gastro-Szene?

Die digitale Bestellung, ganz ohne Zweifel. Speisenauswahl und Bezahlung werden digital abgewickelt. Dadurch entstehen keine langen Warteschlangen. Und das optimierte Zeit- und Platzmanagement wirkt sich nicht zuletzt positiv auf die Qualität der im Lokal verbrachten Zeit aus.

Die neuen Technologien kommen auch für die Backoffice-Tätigkeiten und die Speisenzubereitung zum Einsatz, sehr zugunsten der Produktivität des Restaurants. Das geht bis hin zum Extremfall der russischen Franchising-Marke Dodo Pizza mit rund 700 Filialen. Kameras in den einzelnen Geschäften liefern Livestreams und die Mitglieder der Plattform haben von Speisekarte und Wartezeiten bis hin zu Warenauslieferung etc. alles unter Kontrolle.   

Das verlangt ein Umdenken in der Restaurantplanung. Nicht nur Bereiche für den Verzehr, sondern auch Wartebereiche für das Mitnehmen oder Bereiche für das schnelle Essen sind gefragt.

Derartige Themen wie die Digitalisierung der Dienste und die Angebotsdifferenzierung lagen bereits vor der Corona-Pandemie im Trend und werden durch sie noch mehr an Bedeutung gewinnen.  Nun warten wir die Rückkehr zur Normalität ab. Wir sind schon gespannt auf die neuen Bedürfnisse nach dem planetaren Ausnahmezustand. 

Francesco Pupillo. Hochschulabschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Università Cattolica in Mailand. Seit 2009 bei Reed MIDEM, zuerst als Senior Sales Director für Mipim und Mapic, dann als Vizedirektor für die Mapic Events. Verantwortlich für die Markenentwicklung, insbesondere mit dem Launch regionaler Messen in Mailand, Moskau, Shanghai und Mumbai. Francesco Pupillo war außerdem beteiligt an der Einführung von Mapic Food im Jahr 2018 und ist Show Director der neuen Edition The Happetite & LeisurUp.